Tanja Rosenberger

PR-Beraterin, Wien & Gross-Enzersdorf

Mein Name ist Tanja Rosenberger und ich verbringe seit 2015 die Sommermonate in meinem Haus am Donau-Oder-Kanal.

Manchen Vorstädten auf transdanubischer Seite wird oft der Charme abgesprochen, weil es keine Hügel und Berge gibt. Dahingehend hat die Region hier einen Nachteil, weil sie auf den ersten Blick nicht schön ist.

Ich hab die ersten Jahre hier Probleme gehabt, weil hier kaum gegrüßt wird. Es ist nicht ganz so schlimm für mich, da es ja mein Rückzugsort ist, aber wenn ich beim Laufen oder Radfahren Nachbarn grüße und dabei komisch angeschaut werde, dann macht mich das schon nachdenklich. Ich für mich habe beschlossen, mich nicht unterkriegen zu lassen, egal wie unfreundlich man mir begegnet und hab weiter freundlich gegrüßt und versucht, mit Passanten und Nachbarn ins Gespräch zu kommen.

Man muss selbst die Initiative ergreifen, anstatt zu erwarten, dass von anderen etwas kommt!

Ich habe Groß-Enzersdorf eigentlich erst lieben gelernt. Das Marchfeld und die Vorstadt, waren für mich mit sehr vielen Vorurteilen behaftet. Alles was drüber der Donau war, war suspekt: Da ist alles flach, fad und nichts los. Mittlerweile habe ich zu schätzen gelernt, dass ich hier bei den Bauern einkaufen kann und dass ich dabei durch ein sehr flaches Land fahre und die Weite des Horizontes sehe und keine Betonwüste. Ich finde es hier inzwischen sehr beschaulich!

Die Vorstädte haben früher, als um Wien noch eine Stadtmauer war, eine Befreiung von Zwängen bedeutet. Damals ist man in die Vorstadt gegangen, um es lustig zu haben in den Vorstadthäusern. Da gab es die Bordelle, die Theater, all das war immer mit etwas Fröhlichem verbunden. Vorstadt jetzt in der modernen Zeit ist eher ein Rückzugsort. Man kommt nicht in die Vorstadt, weil man hier Spaß haben will, sondern um seine Ruhe zu haben.

Ich glaube, dass Leute aus Gross-Enzersdorf oder dem Marchfeld, ganz froh sind, wenn sie einen Ausflug in die Großstadt machen können für Kultur. Die brauchen den Kabarettisten hier nicht unbedingt im Ort.

(Rosenberger)

Zur Person

Die gebürtige Wienerin ist als selbstständige PR-Beraterin tätig und hat erst kürzlich die Ausbildung zur Fremdenführerin mit Auszeichnung abgeschlossen.

Gemeinsam mit Ihrem Mann wohnt sie in Wien und verbringt seit mehr als 5 Jahren die Sommermonate am Donau-Oder-Kanal. Sie ist eine von zahlreichen Teilzeit-Groß-EnzersdorferInnen, die an den Ufern der beschauliche Teiche zwischen Lobau und Neu-Oberhausen ihr Quartier aufgeschlagen haben.

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Mein Name ist Tanja Rosenberger, ich bin in Wien geboren, wo ich auch meinen Hauptwohnsitz habe. Seit 2015 ist Groß-Enzersdorf bzw. der Donau-Oder-Kanal meine Sommerresidenz, wo ich mit meinem Mann von Ende Mai bis Mitte September wohne. Ich bin selbstständig, was mir die Möglichkeit gibt, auch hier zu arbeiten. Das ist sehr schön und angenehm für uns, weil wir eigentlich den Sommer hauptsächlich auf der Terrasse unseres Hauses mit Blick auf den Kanal verbringen.

Was schätzt Du am Leben am Stadtrand in Groß-Enzersdorf? Empfindest Du es hier als surban, als ländlich oder ist es sowieso eine eigene Welt?

Ich sehe es schon als Stadtrand, aber für mich ist das wirklich ein Ort zum Runterkommen. Das merke ich schon in der Übergangszeit, wenn ich nur mal für die Gartenarbeit für 1-2 Stunden herkomme. Wenn ich messen würde, traue ich mich zu sagen, mein Blutdruck beruhigt sich auf jeden Fall. Es ist ruhiger hier, es ist der Blick ins Grüne, der wirklich gut tut. Ich genieße es in der Früh, wenn ich noch im Bett liege, die Geräusche der Tiere zu hören, die in der Früh um fünf über das Dach hüpfen und fangen spielen. Oder im Frühling, wenn die verliebten Kröten die ganze Nacht vor sich hinquacken und man wirklich noch Vögel hört. Die höre ich in Wien kaum. Wir wohnen sehr zentral in Wien, zwar auch in der Nähe von Grünflächen, aber trotzdem auf einer großen Einkaufsstraße. Es ist dort permanent laut. Vor unserem Haus eine Busstation. Unter Tags ist die Straße eine Durchzugstraße, eine wichtige Verkehrsader und am Abend, wenn der Verkehr nicht mehr durchbrettert, sind Nachtschwärmer unterwegs. Da schätze ich im Sommer schon sehr, dass es hier noch die 22-Uhr-Disziplin gibt. Das ist für mich hier meine Oase und mein Paradies. Und so am Stadtrand : ich habe Groß-Enzersdorf eigentlich lieben gelernt. Das Marchfeld, Groß-Enzerdorf und auch Essling und Aspern, waren für mich mit sehr vielen Vorurteilen behaftet. Ich bin ein typisches Wiener Kind, das im 8. Bezirk aufgewachsen ist. Also alles was über der Donau war, war arg: Hier ist alles flach, fad und nichts los. Ja wirklich! Das Marchfeld hab ich als Kornkammer Österreichs gekannt, das lernt man in der Volksschule. Mittlerweile habe ich zu schätzen gelernt, dass ich hier bei den Bauern einkaufen kann und dass ich dabei durch ein sehr flaches Land fahre und die Weite des Horizontes sehe und keine Betonwüste und Hochhäuser. Ich finde es hier inzwischen sehr beschaulich!

Wie empfindest Du im Mikrokosmos Donau-Oder-Kanal das Miteinander bzw. den Kontakt zu den Mitbewohnern? Es sind ja doch großteils Menschen aus Wien, die hierher kommen, um hier das Wochenende oder die Ferien zu verbringen. Ist der Umgang untereinander genauso wie in der Stadt, oder entspannter?

Ich hab die ersten 3-4 Jahre Probleme gehabt, weil hier nicht mal gegrüßt wurde. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Menschen an den Donau-Oder-Kanal kommen, weil sie mit anderen Kontakt suchen, sondern weil sie bewusst die Ruhe suchen. Zumindest hier in unserem Bereich, aber weiter vorne Richtung Hotel Sachsengang, wo die Häuser ein bisschen enger beieinander stehen, dürften sich die Leute schon besser kennen. Aber bei uns hat es schon sehr lange gedauert, bis wir mit irgendwem in Kontakt gekommen sind. Es ist nicht ganz so schlimm, da es ja mein Rückzugsort ist, aber wenn ich beim Laufen oder Radfahren Nachbarn grüße, die ich vom sehen kenne und dabei komisch angeschaut werde, dann macht mich das schon nachdenklich. Wir haben auch einen Nachbarn gegenüber, dem mein Mann einmal Hilfe angeboten die dieser, frei nach dem Motto „um Gottes Willen redet mich nicht an“ abgelehnt hat. In den letzten zwei Jahren gab es aber eine spürbare Änderung, weil hier viele frühere Pächter offensichtlich aufgeben, da die Pachtverträge erneuert und verteuert wurden. Das heißt, es kommt viel neues Publikum und somit ein bisschen mehr Kontakt. Wir haben dann auch bewusst Leute immer wieder gegrüßt, um Kontakt herzustellen auf diese Weise. Man liegt hier auf der Terrasse und 2 Meter vor Einem paddelt jemand vorbei und grüßt nicht, was ich schade finde, denn so lange ist der Abschnitt des Kanals auch nicht. Wir hatten es irgendwann dann auch aufgegeben Kontakt aufzunehmen dahingehend, dass´ man sich etwas ausborgt oder herborgt, weil nicht einmal, wenn man angeboten hat zu helfen, wurde es angenommen. Inzwischen kennen wir doch ein paar Menschen, aber das ist erst seit diesem bzw. letzten Sommer entstanden. Wir waren ganz erstaunt, als in diesem Sommer eine Nachbarin von gegenüber, die bisher eher wegen allen möglichen Dingen unfreundlich rüber geschimpft hat, plötzlich zu uns geschwommen ist und sich vorab entschuldigt hat, dass am Sonntag bei ihr gesägt werden würde. Sie sollte eine Holz-Terrasse wie wir bekommen und das ginge eben nur am Sonntag. Da waren wir wirklich positiv überrascht.

Es ist im Grunde genommen wie eine Kleingarten Siedlung, an einem See am Stadtrand.

Ja total.

In der Stadt und auch am Stadtrand bin ich manchmal versucht, mich zu entschuldigen, nachdem ich gegrüßt habe. Wie kann man Deiner Meinung nach dem positiv entgegenwirken?

Ich für mich habe damals beschlossen, mich nicht unterkriegen zu lassen, egal wie unfreundlich man mir begegnet. Ich hab weiter freundlich gegrüßt und ab und zu versucht, mit Passanten und Nachbarn ins Gespräch zu kommen. Mit den Nachbarn rechts reden wir auch viel, wenn sie da sind. Links kommt niemand mehr seit drei Jahren und mit denen gegenüber, die seit vorigen Jahr neu sind, gibt es auch immer wieder einen kurzen Gruß oder Wortwechsel. Man muss sehr behutsam den ersten Schritt machen. Aber ich kann jetzt auch nur für diesen Bereich hier sprechen, die paar hundert Meter links und rechts, dafür kenne ich die andere Seite vom Kanal zu wenig, weil ich nicht soweit schwimme. Ich komme aber jetzt immer öfters mit Leuten ins Gespräch, die ich beim Schwimmen treffe, einfach dadurch, dass ich immer wieder grüße. Man muss selbst die Initiative ergreifen, anstatt zu erwarten, dass von anderen etwas kommt. Aber das hat, glaube ich, nichts mit der Vorstadt an sich zu tun, sondern das ist eine generelle Prämisse: wenn man etwas gut findet, dann muss man es einfach selber initiieren.

Wie viel nehmt Ihr am Leben in Groß-Enzersdorf teil? Ich nehme mal an, dass Ihr hier einkaufen geht, wenn Ihr länger da seid. Nehmt Ihr an den Festen teil oder braucht ihr das eher nicht?

2020 war natürlich in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme, weil es keine Feste gab. Wir waren bei sehr vielen Höfefesten, das war immer ein Fixpunkt. Am Kirtag waren wir, glaube ich, nur zweimal dabei, und das Sommerkino lieben wir. Das sind die Veranstaltungen, die wir kennen.

Würdet Ihr Euch mehr wünschen und würdet Ihr an mehr Veranstaltungen teilnehmen, wenn es mehr gäbe?

Ich könnte es mir vorstellen. Beim diesjährigen Sommerkino wäre ich froh gewesen, wenn es noch mal an drei Wochenenden gewesen wäre, weil uns heuer viel dazwischen gekommen ist. Das hat mir wirklich sehr leid getan.

Aber zum Beispiel Theater, Themen-Spaziergänge oder Exkursionen im Nationalpark sind sie das Thema für Euch?

In den ersten drei Sommern, die wir hier waren, haben wir uns gar nichts angesehen. Das Lustige ist, interessieren würde es uns, aber meist ist einfach der Abend oder der Tag am Kanal dann doch zu schön und wir bleiben am Wasser. Vor allem die Abende. Interesse ist auf jeden Fall da, wir haben uns auch in den letzten Jahren die Marchfeldschlösser angeschaut.

Seid Ihr gut informiert über das, was sich tut, oder müßt Ihr Euch die Informationen zusammensuchen?

Das, was uns interessiert und wo wir schon waren, das findet uns, weil wir entweder via Facebook verbunden sind mit einem Veranstalter oder weil wir wissen, da sollte doch was sein. Da schaut man dann aufmerksamer, bei Aushängen zum Beispiel. Was das Wandern in der Lobau betrifft, da sucht man dann eher gezielt auf einer Webseite oder man probiert es einfach aus und fährt mit dem Rad rein. Oder was uns erst letztens bewusst geworden ist: durch eine junge Frau aus dem Ort hatte ich erfahren, dass der Betreiber des Gasthaus Abraham wegen Pensionierung zusperren möchte. Mein Mann und ich haben überlegt, wo man eigentlich hier noch essen hingehen kann? Wir sind dann draufgekommen, wir kennen eigentlich fast gar nichts. Wir fahren immer nur zum Ludl oder zum Abraham.

Ward Ihr schon mal beim Uferhaus Staudigl?

Ja manchmal, wenn wir mit dem Rad rüberfahren.

Ward Ihr schon mal beim Gasthaus Breinreich in Wittau?

Nein, haben wir gar nicht gewußt, dass es da etwas gibt. Wir waren in Orth an der Donau, vor dem Sommerkino, auf Vorort-Empfehlung beim Gasthaus Binder.

Wo macht Ihr Eure Besorgungen?

Wir kaufen nur in Groß-Enzersdorf ein bzw. in einem der Hofläden in Mannsdorf oder sehr oft in Raasdorf, vor allem in der Spargel Saison. Die Produkte, die wir da einkaufen werden immer mehr. Was mir zu Vorstädten einfällt, oder den Gefügen außerhalb der großen Städte: es sind Orte, die zunehmend vereinsamen, weil halt so wie bei uns natürlich auch ein großes Einkaufscenter an den Stadtrand gebaut wird. Ich freue mich natürlich über das Center, weil dort ist mein toller Bäcker, den ich liebe und ich finde Supermärkte und sonstige Anbieter für Dinge, die ich schnell mal brauche. Aber was solchen Vorstädten dann fehlt, so wie vielen anderen kleinen Städten in Österreich, das ist das Leben im (Dorf)zentrum. Wir haben heuer z.B das erste Mal die Putzerei neben dem Alexowsky ausprobiert und waren ganz begeistert. Dann haben wir gesagt, das machen wir jetzt öfters, dass wir hier Angebote in Anspruch nehmen, so wie frühstücken gehen in die Bäckerei MüllerGartner. Und wenn ich dann etwas vom Optiker brauche, vielleicht dann nicht extra Wien nach Wien fahre, sondern hier erledige. Also das entwickelt sich langsam.

Seid ihr gut informiert über die Angebote, die es hier gibt? Und wenn Ihr Euch informiert, wie informiert Ihr Euch?

Wir fragen unsere Freunde, von denen wir auch das Haus übernommen haben. Wir hatten ja mit dem Haus hier zum Beispiel den Installateur aus dem 22.ten übernommen. Der Installateur, der uns heuer hier mit dem Brunnen-Problem geholfen hat, wurde uns über die Groß-Enzersdorfer Facebookgruppe empfohlen, die bei solchen Suchen sehr hilfreich ist. Da habe ich mir auch schon einige Infos rausgeholt. Oder zum Beispiel die junge Dame, mit der ich mich unterhalten hatte, ist eine Fußpflegerin und die hab ich über Empfehlung aus dieser Gruppe. So ist man dann auch wieder im Gespräch mit Einheimischen. Die Verflechtung mit dem Ort wird mit der Zeit enger, sodass wir uns hier gezielt Angebote suchen.

Zum Groß-Enzersdorfer wird man auf Lebenszeit wahrscheinlich nicht, aber das muss ja nicht sein. Aber wenn man weiß, was sich tut und wenn man ein paar Leute kennt und diese im Ortszentrum wiedersieht…

dann freut man sich, wenn man sagen kann: den kenne ich. Inzwischen haben wir auch schon oft Hilfe und gute, erprobte Tipps von diesen Leuten erhalten.

Würdest du sagen, dass „Stadtrand“ eine Kombination von Vor- und Nachteilen aus zwei verschiedenen Welten ist, eine Symbiose aus Stadt und Land? Was würde es noch brauchen, um zu einer perfekten Schnittstelle zu werden? Braucht es mehr Kultur, ein mehr an Begegnungsort, oder mehr Ruhe?

Naja, ich glaube, dass ein bisschen mehr Kultur auf jeden Fall nicht schaden würde. Gleichzeitig muss der Vorort aber nicht so lebhaft werden wie die Stadt. Ich würde mich nicht freuen, wenn jetzt hier in der Nähe vom Kanal z.B eine Disco gebaut werden würde. Diese Erholungsgebiete in den Vorstädten sollten schon erhalten bleiben, was in Wien einfach nicht geht, da die Stadt explodiert. Das ist gut an der Seestadt zu sehen. Früher waren Essling und Aspern sehr dörflich und werden jetzt komplett zugebaut, weil in Wien offensichtlich Wohnungen gebraucht werden. Ich glaub aber auch, dass Leute aus Gross-Enzersdorf oder dem Marchfeld, ganz froh sind, wenn sie einen Ausflug in die Großstadt machen können für Kultur. Die brauchen den Kabarettisten hier nicht unbedingt im Ort.

Glaubst Du, dass es durch diese Nähe zur Großstadt für den Stadtrand schwieriger ist? Dass viele Menschen, die hier oder im Marchfeld wohnen, das Angebot in Groß-Enzersdorf übergehen und lieber gleich in die Stadt fahren, um sich etwas „Gscheites“ zu gönnen?

Zurückkommend auf das, was ich vorhin gesagt habe: Als ich in der Innenstadt aufgewachsen bin, war alles in Transdanubien suspekt. Es ist ja hier dann auch nicht wirklich etwas. Ich glaube, Groß-Enzersdorf hätte ja eine große Chance, kulturell mehr zu tun, weil im 22. Bezirk fällt mir außer dem Orpheum ad hoc gar nichts ein, was es sonst hier an Kulturinstitutionen gibt. Und in die andere Richtung, z.B Orth An der Donau weiß ich jetzt nicht, ob das auch so die große Kulturmetropole ist.

Da gibt’s im Schloss sehr viel, was aber leider viel zu wenig bekannt ist und untergeht. Es gibt Chor- und Orchester-Konzerte und Ausstellungen die da stattfinden. Angeblich gibt es auch eine Musikkapelle. Da tut sich einiges, nur leider wird es viel zu wenig kommuniziert.

Ich verbinde das Schloss Orth mit dem Sommer-Kino und mit dem Nationalpark. Heutzutage sind natürlich mündliche Empfehlungen wichtig. Ich hab zum Beispiel einige Leute aus meinem (Wiener) Freundeskreis zum Sommerkino gebracht. Das Interesse ist da, wenn man darauf aufmerksam macht und sagt: „Hey Leute, ihr wohnt in Deutsch Wagram, ihr braucht nur 20 Minuten her“. Was ich immer so spannend finde ist, wenn mir Leute sagen: „Na ja, da muss man so weit fahren“. Ohne Stau ist man in 30 bis 40 Minuten in Groß Enzersdorf, mit der U2 in 20 Minuten in der Seestadt, von wo wir unsere Freunde oft abholen. Inzwischen haben wir viele Freunde darauf getrimmt, dass sie den Bus nehmen und wir holen sie dann vom Busbahnhof in Groß Enzersdorf ab. Städter, die in die Vorstadt kommen, glauben immer, sie fahren tagelang, bis sie hier sind. Eine Weltreise! Es gibt zu viele Vorurteile, zu viel Bequemlichkeit und falsche Vorstellungen.

Wäre es sinnvoll eine Veranstaltungsreihe zu initiieren, die die Vorurteile der Vorstadt thematisiert? Dabei müsste man sich dann gleichzeitig auch Gedanken machen, was die Identität der Vorstadt heutzutage ausmacht. Was sind die Vorteile? Wofür steht die die Vorstadt, wofür will sie stehen?

Naja, ich kann mich erinnern, in meiner Kindheit, in den 70ern-Jahren war ein Ausflug nach Strasshof zum Beispiel noch ein Tagesprogramm, das war wirklich noch „am Land“. Vor 10-15 Jahren haben sich die „Gscheiten“ in der „Einöde“ ein Grundstück genommen und sind in die Vorstadt gegangen. Zum Beispiel Freunde von uns, die in Essling wohnen, wurden belächelt und als verrückt bezeichnet. Jetzt beneiden sie alle wegen der Nähe zur Lobau, dem leistbaren Wohnen und dem vielen Grün.

Aber was zeichnet diese Begierde nach dem Stadtrand aus?

Das Grün und die Ruhe, vor allem wenn du in Wien in einem richtigen Wohnbau wohnst, mit der entsprechenden Geräuschkulisse. Du willst dann einfach raus.

Tarek Leitner schreibt in seinem Buch „Wo wohnen wir denn?“ Sinngemäß, dass die langersehnte Erholung und Ruhe, die man sich im Speckgürtel erhofft und erspart, im täglichen Stau dann ziemlich schnell zunichte gemacht wird. Ist das dann die Realität, die die Menschen einholt?

Ja sicher, aber da kommen mir dann manche Leute auch ein bissl unflexibel vor, weil es vielleicht doch Möglichkeiten gäbe, diese Staus zu umgehen. Aber es ist natürlich auch diese gängige Denke: „ab der Stadtgrenze kann man ohne Auto nicht überleben“. Man muß sich einfach organisieren. Ich kann mich erinnern, dass es bei manchen Freunden sehr lange gedauert hat, bis sie uns besucht haben, weil „das ist ja so weit draußen“.

Das ist dann ein positives Erlebnis, dass es doch nicht so ist.

Natürlich hatten wir auch schon den Fall, dass einige Gäste eineinhalb Stunden auf der Tangente standen, als sie uns besuchen wollten. Das war ein Lernprozess für alle: wir haben zu anderen Tagen oder Zeiten eingeladen bzw. uns angeboten, die Gäste von der U2 und vom Bus abzuholen. Manche sind tatsächlich auf Öffis umgestiegen. Und wir haben auch Freundinnen, die mit dem Rad gekommen sind und das mit einer Radtour verknüpft haben.

Bei meinen Recherchen habe ich gesehen, dass in anderen Städten, wenn gravierende Einschnitte gemacht wurden in die Verkehrswege, die Menschen sich Alternativen gesucht haben, einzig in Wien scheint das nicht möglich zu sein. Wie eine heilge Kuh, die man ja nicht anfasst. Ein schönes Zitat aus einer Diskussion im Rahmen der Ausstellung vor kurzem „die Menschen haben ein Recht auf Mobilität…“. Wenn jemand in Groß-Enzersdorf wohnt und sich entscheidet einen Job am anderen Ende der Stadt anzunehmen, ist das eine spannende Sichtweise. Die Frage ist, ob das in der heutigen Zeit noch so gesehen werden kann und man sich in Zukunft nicht überlegen muss, ob man mit dem Job mitzieht oder sich in der Nähe eine anderen Job sucht.

Oder auch die Diskussion mit dem Chef sucht und fragt „Kann ich ein oder zwei Tage Homeoffice machen?“ Da ist die Zeit gerade günstig, da das derzeit ein großes Thema ist. Ich höre von Leuten, die gerne im Home Office arbeiten würden und nicht dürfen, weil ihre Chefs oder Unternehmen das nicht wollen. Aber viele trauen sich gar nicht erst zu fragen. Das ist vielleicht ein österreichisches Phänomen. Es ist sehr bequem, zu sagen „Na, das geht halt nicht.“ und es gar nicht zu probieren, ob es eventuell doch geht. Ich habe das an mir selbst bemerkt, als ich mich mit meinem Mann arrangieren musste, um die 2km vom Donau-Oder-Kanal zum Busbahnhof zu kommen. Es war angenehm und er hat mich auch gerne gebracht, aber irgendwann habe ich mir gedacht „das kann es ja nicht sein“. Dann habe ich voriges Jahr den Vespa-Führerschein gemacht und fahre nun selbst mit der Vespa zum Bus oder zur U-Bahn. Ich nutze Park&Ride, weil ich es nicht als notwendig erachte bis nach Wien zu fahren. Darüberhinaus hab ich heuer zum Geburtstag mein Rad saniert bekommen und fahre jetzt noch mehr Rad. Man muss alles mal ausprobieren und ich glaube, dass viele (Vor)Städter die verschiedenen Varianten gar nicht erst durchdenken.

…oder antiquierte Sichtweisen haben und auf ihren Standpunkten verharren. Vor kurzem habe ich mit einem Australier und einem Amerikaner gesprochen, die natürlich auf die österreichische Seele einen ganz anderen Blick haben. Der Amerikaner kommt aus dem Silicon Valley. Der erzählt, er kommt aus einer ganz anderen Kultur. Wenn Du im Westen von Amerika aufgewachsen bist, dann hast Du „Risikobereitschaft“ in deiner DNA tief verankert. Das gibt es in Österreich nicht, weil man hier seit dem Zweiten Weltkrieg eingeimpft bekommt „Lass nur, wir machen das für Dich“. Dieses tiefe Urvertrauen in die Politik gibt es mittlerweile auch nicht mehr wirklich. Aber ich sehe schon die Herausforderung dass das á la lounge der heilen Welt am Stadtrand einen Strich durch die Rechnung machen wird für die, die keine andere Lösung sehen, als ihre geliebte Mobilität durch einen LobauTunnel gesichert zu bekommen. Das wird nach hinten losgehen.

Man muss schon unterscheiden, in Bezug auf Wien, von welchen Vorstädten wir sprechen. Es kommt zum Beispiel keiner auf die Idee, Klosterneuburg mit Hochhäusern zu zupflastern. Da ist es hügelig, es gibt Weingärten und das Kloster. Hier im Gegenzug ist alles flach. In meiner aktuellen Ausbildung lerne ich sehr viel Geschichte, natürlich auch, dass diese Gegend hier früher von vielen Kriegen heimgesucht wurde. Es ist leichter im Flachland Fabriken oder sonstige unschöne Dinge herzustellen. Keiner würde jemals in Frage stellen, dass Mödling, Breitenfurt oder Perchtoldsdorf nicht schön wären. Dort will jeder hin, weil da ist alles so idyllisch. Manchen Vorstädten so wie Groß-Enzersdorf, oder alles was hier auf transdanubischer Seite ist, wird oft der Charme abgesprochen, weil es keine Hügel und Berge gibt. Dahingehend hat die Region hier einen Nachteil, weil sie auf den ersten Blick nicht schön ist.

Fabriken wurden ja gerne hierhergebaut, weil in der Vergangenheit die Politik Zuckerl ausgestreut hat, damit das angesiedelt wird, weil man nicht an übermorgen gedacht hat, sondern an Arbeitsplätze. Man hat auch nicht an ein Ensemble-Schutz oder ein schönes Ortsbild gedacht, daran dass das Auge vielleicht auch mitwohnt.

Es ist wirklich schade, weil Groß-Enzersdorf war mal ein Teil von Wien, so wie Grinzing, ein fixer Teil von Wien ist. In Grinzing rühmt man sich, dass dort das Ortsbild beibehalten werden konnte mit den kleinen Winzer-Häusern. In Groß-Enzersdorf gibt es bald keine zusammenhängenden alten Häuser mehr, die hätte man genauso retten können. Das Marchfeld Center, so sehr ich es schätze aus meiner Bequemlichkeit heraus, ist natürlich auch eine tolle Verbindung zwischen Wien und der Vorstadt. Genau dazwischen positioniert ist es sicher ein wirtschaftlicher Renner. Da kommen die Wiener raus und die Marchfelder rein. Aber wahrscheinlich hat dafür der Dorfkern von Groß-Enzersdorf gelitten.

Er hat nicht soviel gelitten wie in den 80er Jahren, nachdem das Donauzentrum aufgesperrt wurde. Damals hat meiner Information nach der Ortskern am meisten gelitten. Seitdem es das Marchfeldcenter gibt musste deswegen kein Geschäft zusperren. Es ist wahrscheinlich eines der wenigen Fälle in Österreich, wo nicht soviel schief gegangen ist.

Und es gibt auch noch den Markt zweimal die Woche.

Es gibt Beispiele wie Hainburg, wo man sich rühmt, dass das Einkaufszentrum in der Stadt drinnen ist, was nicht immer positiv ist. Auch in Stockerau habe ich das gesehen, das Ergebnis muss man mal verdauen. Aber das sieht jeder anders, mit anderen Augen. Es gibt Menschen, die shoppen wollen, weil sie ihr Heil darin sehen und es gibt Menschen, die wollen schöne Häuser in einem schönen Ensemble. Diesen Schutz gibt es auch seit zwei oder drei Jahren in Groß-Enzersdorf, nur leider hat man das zu spät eingeführt. Ein Geheimtipp dazu: schau mal ins Heimatmuseum, solange es das noch gibt. Dort gibt es gleich rechts neben dem Eingang eine Wall of Fame an, der vergangene Bürgermeister und deren Wohltaten. Äußerst spannend, was man in den vergangenen Jahrzehnten als „Errungenschaft“ angesehen hat.

Ich war vor kurzem auf der Hohen Warte. Da wurden Objekte hingebaut, da möchte man nur noch weinen… Ich habe über Vorstädte gelesen, dass sie ursprünglich Gebiete waren, wo alles viel günstiger war. Wo es nicht so hohe Steuern gab, wo Personen leben mussten, die es nicht leisten konnten in der Stadt zu leben. Es gab eine Steuergrenze bei Wien, den Limes, wo heute der Gürtel ist. Die Vorstädte haben damals auch eine Befreiung von Zwängen bedeutet, als um Wien noch eine Stadtmauer war. Damals ist man in die Vorstadt gegangen, da hatte man es lustig in den Vorstadthäusern. Da gab es die Bordelle, die Theater, all das war immer mit etwas Fröhlichem verbunden. Vorstadt jetzt in der modernen Zeit ist eher ein Rückzugsort. Man kommt nicht in die Vorstadt, weil man hier Spaß haben will, sondern um seine Ruhe zu haben. Ich kann verstehen, wenn jemand sagt „mir ist nicht nach Verbrüderung“. Ich glaube, dass das hier schon ein bisschen speziell ist. Eine Freundin von mir, hat sehr lange nach einem ähnlichen Häuschen gesucht und wurde in der Nähe von Schwechat fündig, wo es Schotterteiche gibt. Da war das genaue Gegenteil, wie es bei uns. Da wussten schon alle Nachbarn, dass sie das Haus übernommen hatte und haben sich regelrecht aufgedrängt. Das war ihr fast zu viel. Also das genaue Gegenteil von dem, was wir hier erlebt haben.

Das bringt mich zu dem, dass unterschiedliche Menschen, unterschiedliche Bedürfnisse haben und dass man darauf Rücksicht nehmen muß, dass es dafür historische, soziale, gesellschaftliche oder biografische Hintergründe gibt. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren und sagen „Alle wollen Ruhe“. Es gibt auch Menschen, die in einem Ort leben und arbeiten, die freuen sich wegzukommen oder wenn sich im Ort etwas tut, die die Gemeinschaft beleben wollen. Dann gibt es diejenigen, die nur zum Schlafen kommen, was auch in Ordnung ist. Es gilt das gelingende Miteinander, diesen Mix zu entwickeln, wo für Alle etwas dabei ist, ohne dass sich jemand gestört fühlt.

Ich glaube, es dauert, bis man in einer Gegend ankommt, egal wo in Österreich. Man sagt ja auch, im Salzkammergut kannst du keine sozialen Kontakte knüpfen, weil das ist so eine eingeschworene Gemeinschaft, die wollen dich nicht als Wiener oder aus anderen Bundesländern. Es braucht alle seine Zeit. Die Leute müssen sich natürlich auch an neue Nachbarn gewöhnen. Wahrscheinlich ist es in einer Stadt nicht anders, wenn du in ein neues Haus einziehst. Ich habe unlängst eine Diskussion mitverfolgt, bei der gefragt wurde, ob man sich, wenn man in Wien wo neu einzieht, bei den Nachbarn vorstellt. Da haben die wenigsten gesagt, dass sie das machen.

Ich hab die gleiche Geschichte gehört, wo jemand genau das gemacht hat und dann sich von den Nachbarn anhören lassen mußte: „Schön, aber lass mich in Ruhe“. Das ist hier passiert, in Groß-Enzersdorf! Das ist die Kehrseite, die man akzeptieren muß, dass es andere Menschen mit anderen Perspektiven und anderen Geschichten gibt. Man weiß nie, was dazu geführt hat, dass die Leute so sind. Aber genau dafür gibt es HUMANS OF SUBURBIA, um hinter die Kulissen zu schauen und nachzufragen: „Wer bist du? Wie wurdest du zu dem, der du bist? Wie nimmst das Leben hier wahr? Eine Frage noch an Dich: gibt es für Dich ein unvergessliches Ereignis, dass Du mit Stadtrand, mit Großinvestor und mit dem Donau-Oder-Kanal verbindest?

Da ist kein Ereignis. Das ist für mich jeder Sommer. Es ist für mich so unendlich wichtig, diese drei bis vier Monate im Jahr hier wohnen zu können.

Was unterscheidet die Qualität dieses Ortes von der des Salzkammergut, die ihr ja auch sehr genossen habt?

Die Möglichkeit hier zu wohnen im Grünen, direkt am Wasser ist Gold wert. Das kann man überhaupt nicht beschreiben, wie anders das Leben ist, wenn man am Wasser wohnt und jederzeit schwimmen gehen kann. Man merkt das auch, wenn Leute zu Besuch kommen, wie sehr sie es genießen, wie sehr sie relaxen. Die schönen Momente sind die, wenn ich mit dem Rad, Roller oder sogar mit dem Auto durchs Marchfeld fahre, im Sonnenuntergang oder in der Früh. Es kann auch bei Regen sein. Ich mag diese Landschaft. Ich gehe wahnsinnig gerne hier laufen und schaue gerne in diese unendlichen Weiten. Das hab ich wirklich zu schätzen gelernt.

Hast du einen Lieblingsort, den du weiter empfehlen würdest, mit offenen Mikrofonen und einen mit geschlossenen Mikrofon?

Es ist beides meine Terrasse hier.

Darf ich dir noch einen Ort empfehlen? Die Hubertus Kapelle in Angern an der March, dem noröstlichsten Außenposten des Marchfeldes. Das ist eine sehr schöne Kapelle auf einer Anhöhe, wo du über das gesamte Marchfeld schaust.

Ich fahr gerne nach Eckartsau. Das mag ich sehr gern. Was mir noch gut gefällt ist die große Brücke bei Deutsche Altenburg, an der Grenze. Und ich fahr wirklich gerne mit dem Roller von Franzensdorf Richtung Eckartsau durch diese ganzen kleinen Ortschaften: Lassee und Haringsee. Da hab ich mich auch schon oft verfahren. Ich finde es auch lustig durch Oberhausen zu fahren, das hat so eine Beschaulichkeit, weil dort niemand auf der Straße geht. Und Mühlleiten mit seiner Kapelle. Es ist wirklich schön hier!

Dann sage ich Danke und wünsche Dir noch einen schönen Abend.

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